
Lesertext: Engagement in Südafrika

Der Dienst findet meist über die Zeitspanne eines ganzen oder halben Jahres statt. Die Einsatzplätze befassen sich mit verschiedenen Themen, von Landwirtschaft über Bildung bis hin zu Recht und Umweltschutz und bieten den Freiwilligen eine umfangreiche Palette an Möglichkeiten, sich sozial zu engagieren.
Ich arbeite für die Organisation Masifunde. Der Name entstammt der lokalen Sprache isiXhosa und bedeutet so viel wie „Lasst uns lernen“. Die Organisation hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den Lebensstandard in einer der Townships Port Elizabeths, der Walmer Township, langfristig zu verbessern.

Entwicklung durch Bildung
Port Elizabeth ist eine alte Hafenstadt in der Provinz Eastern Cape. Mit etwas über eine Million Einwohnern (Townships mitgezählt) ist sie die größte Stadt der Provinz. In ihrer Nähe endet die berühmte Garden Route ab Kapstadt.
Masifunde nimmt die jüngeren Generationen an die Hand, um über einen längeren Zeitraum Veränderung zu bewirken. Dabei werden einer Gruppe von Schülern in außerschulischen Programmen Life Skills und Wissen vermitteln, die von ihnen in die Gemeinschaft getragen werden sollen. Sie fungieren als Multiplikatoren.
Mittlerweile gehören fast 600 Jugendliche den Programmen an, die auch Theater-, Chor, Schwimm-, Ernährungs- und Computerkurse umfassen.
Mein Arbeitsplatz befindet sich in dem 2017 eröffneten Center namens „Masifunde’s Changemaker Academy“. Hier finden die meisten kreativen Kurse, wie Kunst oder Theater, statt. Zudem existiert hier seit einem Dreivierteljahr ein neugegründeter Montessori-Kindergarten.
Neben Einkäufen für die Caféteria arbeite ich oft an der Rezeption, verschicke Schmuckstücke für das Startup „Izandla Zethu“ oder arbeite bei einer Schülerzeitung.
Einblicke in die Kultur
Ich genieße die Reisen durch das atemberaubende Land mit seinen Landschaften, wilden Tieren und einzigartigen Eindrücken. Darüber hinaus erhalte ich durch meine Arbeit Einblicke in die lokale Xhosa-Kultur.
Mittlerweile weiß ich einiges über Traditionen, Bräuche und Aberglaube der Xhosas, was mich immer wieder wundern lässt - im positiven wie im negativen Sinne. Ein Beispiel dafür ist die Liebe der Leute zu Musik und Theater.
Egal, ob man Schülern auf dem Heimweg, Kollegen in der Cafeteria oder Leuten zufällig auf der Straße begegnet: In der Township wird an jeder Ecke gesungen, gesummt und musiziert.
Die Wartelisten für Masifundes Theatergruppen sind lang und alle paar Wochen findet bei uns im Center ein „Abend der offenen Bühne statt“, wo Künstler aus der ganzen Township ihre Werke vorführen.
Problem Kriminalität
Das stellt allerdings nur eine Seite des Lebens in der Township dar, denn die meiste Zeit ist es ein unliebsamer Ort. Auch wenn die Walmer Township, in der ich arbeite, als eher friedliche Township gilt, so hört man doch oft von Gewalttaten und Kriminalität.
Jeder kann hier eine Geschichte erzählen, die in mir ein beklemmendes Gefühl hervorrief. Einer der Gründe, warum viele Leute, neben der Pflege von Traditionen auch Zerstreuung in der Musik und im Tanz suchen.
So ist die Künsterlerdichte meiner Meinung nach extrem hoch in dem kleinen Stadtteil mit etwa 30.000 Einwohnern. Wer sich das gerne einmal ansehen möchte, sollte nach professionellen Townshiptouren schauen. Auf eigene Faust die Gegend zu erkunden ist riskant.
Abgesehen davon, gibt es noch andere etwas skurrile Bräuche, wie etwa den Aberglauben an Witchcraft. So passiert es gelegentlich, dass nach Xhosa-Vorstellung die Ahnen Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen und ihnen Botschaften vermitteln.
Wenn das der Fall ist, dann kommen wenige Tage später alle Familienmitglieder zusammen und feiern über Tage hinweg die entstandene Verbindung. Begleitet werden die Feierlichkeiten von viel Musik und Tanz.

Sport und Reisen als Ausgleich
Nach der Arbeit gehe ich oft mit Freunden zum Sport. Zwar ist Port Elizabeth eine große Stadt und hat einiges an Aktivitäten zu bieten, andererseits ist es aber auch eine Industriestadt, die nicht besonders viel Charme versprüht.
Deswegen war es uns Freiwilligen von Anfang an wichtig, unsere Freizeit zu nutzen, um so viel wie möglich vom Land zu sehen und an Wochenenden in kleinere benachbarte Orte zu fahren, meist entlang der Garden Route.
Meine persönlichen Highlights bisher waren neben Kapstadt vor allem die kleineren verschlafenen Orte entlang der Küste. Dazu zählen Tsitsikamma mit dem angrenzenden Nature’s Valley, wo man im Übrigen auch den höchsten Bungee Jump der Welt von einer Brücke machen kann, aber auch Wilderness, Knysna und weiter im Western Cape Betty’s Bay und Hermanus.
Sonnenuntergänge wie an der Garden Route habe ich noch nirgends sonst gesehen. Geht man weiter ins Landesinnere, so stößt man schnell auf wüstenartige trockene Savannen. Besonders zu empfehlen ist dort aus meiner Sicht der Ort Oudtshoorn mit seinen Straußenfarmen und den Cango Caves.
Fazit nach zehn Monaten
Der Freiwilligendienst hat mich in vielerlei Hinsicht weitergebracht. Zum einen charakterlich, da ich zum ersten Mal alleine wohne und für mich selbst sorge, aber auch auf der Arbeit, wo ich in ungewohnten Situationen regelmäßig gefordert werde.
Auf diese Art und Weise lerne ich Verantwortung zu übernehmen, Niederlagen einzustecken und mit Überforderung umzugehen. Denn dass nicht immer alles so läuft, wie man es sich wünscht, ist ja ein alter Hut.
Des Weiteren hilft der Freiwilligendienst mir auch, soziale Kompetenzen in einem interkulturellen Team weiterzuentwickeln, was in Zeiten der Globalisierung und der weltweiten Vernetzung zunehmend wichtig wird.
Auch verstehe ich nun viele Zusammenhänge besser, da man einige Auswirkungen politischer Entscheidungen hier direkt erlebt. So waren beispielsweise vor ein paar Wochen Wahlen und man konnte die zunehmende Spannung vor dem Wahltag spüren.
Vergleich mit der Heimat
Auch sieht man, wofür staatliche Entwicklungsgelder eigentlich eingesetzt werden und wer sie erhält. Nicht zuletzt gibt einem der Freiwilligendienst auch die Chance, ein klein wenig von dem zurückzugeben, was einem in einem wohlhabenden Land wie Deutschland ermöglicht wird.
Ich muss für eine gewisse Zeit auf einige Privilegien zu verzichten, die ich nun um einiges mehr zu schätzen weiß. Zum Beispiel unsere Grundrechte, der erst vor kurzem ihren 70. Geburtstag gefeiert haben.
Zwar verfügt Südafrika über eine der modernsten Verfassungen der Welt, allerdings sieht die Praxis bei weitem anders aus. Korruption und Machthunger begrenzen das Land immer noch in seinen Möglichkeiten.
Jedem, der noch nicht so ganz weiß, wie es nach der Schule weitergehen soll oder der sich in einer Selbstfindungsphase befindet, würde ich ans Herz legen, sich einmal über Freiwilligendienste zu informieren.
Eine der größten staatlichen Plattformen dafür ist www.weltwaerts.de. Dort gibt es unzählige spannende Projekte überall auf der Welt.
© Text: Mats Visarius