
Lesertext: Urban Sketching in Südafrika
Schon seit meinen letzten Urlauben mit Nicht-Zeichnern in Südafrika reifte in mir der Gedanke, eine Sketcherreise ins Reich der wilden Tiere mit Zeichnern zu unternehmen und anderen Menschen in einer Kleingruppe mein Südafrika mit all seinen schönen und schwierigen Facetten näherzubringen.
Ich heiße Annett Schroeder, bin 54 Jahre alt und begeisterte Urban Sketcherin und von Beruf freiberufliche Grafikerin. Mein Beruf war zu Beginn des Studiums und auch davor geprägt von sehr vielen Zeichnungen.
Bessere Wahrnehmung
Leider kam das danach viel zu kurz. Erst seit ich mich der Urban-Sketchers-Bewegung vor einigen Jahren angeschlossen und in Lübeck eine Gruppe mit ins Leben gerufen habe, merke ich, was mir sehr lange gefehlt hat: das Zeichnen. Somit kann ich wundervoll meinen Beruf mit meinem Hobby verbinden.
Das Schöne im Alltäglichen zu entdecken, verändert nicht nur den Blick auf die Umgebung: Für mich ist das Urban Sketching die Möglichkeit, mich herunterzufahren, ohne mich auszuklinken.
Die Umgebung und Details werden so viel besser wahrgenommen und vieles, was wir sonst übersehen, bekommt einen besonderen Wert. Wenn am Ende dann eine Zeichnung entstanden ist, die mich ein Stück weit zufriedener macht als zuvor und die Menschen fasziniert, darf ich das als kleines Glück bezeichnen.

Treffen in Kapstadt
Durch einen vierjährigen Auslandsaufenthalt in Südafrika und die Arbeit in der Reisevermittlung für Kleingruppen habe ich umfangreiche Kontakte zu Reiseorganisatoren und Unterkünften, die ich in den zehn Jahren nach meiner Rückkehr nach Deutschland immer weiter ausgebaut habe.
Auch eine Gruppe von interessierten Zeichnern war schnell gefunden und so waren wir im Oktober 2018 für zwei Wochen mit zwölf Personen in Südafrika unterwegs.
Alles begann nach der Ankunft in Kapstadt mit dem Treffen der Urban Sketchers Cape Town, mit denen ich schon lange in Kontakt stehe und die uns eingeladen haben, gemeinsam zu zeichnen.
Die Sketcher hatten ihr monatliches Treffen extra so gelegt, dass sie mit uns an einem Sonntag zeichnen konnten, was wir einfach nur umwerfend fanden. Die zehn Sketcher aus Kapstadt haben uns dann die schönsten Ecken ihrer Stadt gezeigt, die sich für schnelles Skizzieren eignen.
Unterschiedliche Wahrnehmung
Es war ein sehr schöner heißer Nachmittag mit vielen tollen Zeichenergebnissen und intensiven Gesprächen. Am Ende des Treffens wurden die Zeichnungen zusammengelegt, und es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die gleiche Ansicht von jedem anders zeichnerisch umgesetzt wird.
In und um Kapstadt haben wir dann gemeinsam oder in kleineren Grüppchen die Umgebung und die Sehenswürdigkeiten skizziert. Auch hier war interessant, wie unterschiedlich die Wahrnehmung war.
Einige zeichneten die Häuser und Straßenzüge, andere die Menschen und Straßenszenen oder die Umgebung, andere das Essen oder das Meer, die Tiere oder die Sehenswürdigkeiten.
Das schwierige war für mich, wie immer in Südafrika, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Außerdem wollte ich in meinem Skizzenbuch eine Geschichte erzählen und habe versucht, alle für mich wichtigen Tageserlebnisse festzuhalten.
Am Ende wurden es drei mit Zeichnungen gefüllte Bücher, eins nur mit Tieren aus dem Krügerpark, ein kleines mit Menschen (da es in kleinen Büchern einfacher ist, unbemerkt zu skizzieren) und ein großes A 4 Skizzenbuch.
Abstecher ins Weinland
Schön empfand ich die kurzen Stopps auf der Winelands-Tour, auf der wir immer nur eine Stunde Zeit zum Zeichnen hatten, bevor der Bus uns wieder abholte und zum nächsten Weingut brachte.
Die kurze Zeitspanne schult das Auge und den Fokus auf das Wesentliche. Bei unseren eigenen Ausflügen wurde ein Treffpunkt nach einer bestimmten Zeit vereinbart und wir verteilten uns, um danach wieder zusammenzukommen und unsere Ergebnisse zu bewundern.
Durch die vielen Zeichnungen hatte dann jeder einen schönen Eindruck der Gesamtheit und Atmosphäre, die jeder Einzelne für sich in der kurzen Zeit niemals gesehen hätte.

Geduldige Models
Nach einer Woche flogen wir nach Nelspruit in der Nähe des Krüger-Nationalparks und hatten dort das intensive Erlebnis, die Big Five sowie so viele andere Tiere, die man sonst nur aus dem Zoo oder dem Film kennt, in der Wildnis zu sehen.
Nach Ankunft im Krügerpark liefen uns gleich Elefanten und Büffel und sogar die von der Wilderei bedrohten Nashörner über den Weg. Am zweiten Tag hatten wir die Big Five bereits gesehen.
Ich hatte organisiert, dass uns für unsere Zeit im Park zwei erfahrene Ranger begleiteten, die auch deutsch sprachen. Den Rangern hatte ich zwar vorab erklärt, dass wir zeichnen wollen, und dass es auch vorkommen kann, dass wir einfach nur mal zehn Minuten die Bäume und die Landschaft oder auch die Ranger selbst zeichnen wollen.
Allerdings hatten sie so etwas noch nicht erlebt und waren nach dem ersten Porträt von sich selbst und der ersten Elefantenskizze sehr beeindruckt und das hat sie noch mehr motiviert.
Irgendwie haben wir, glaube ich, die Tiere irritiert, denn sie standen uns meist fünf bis zehn Minuten Modell und wir konnten sie gemütlich skizzieren. Ich denke, sie waren zu neugierig, um herauszufinden, warum in dem Jeep kein Geräusch zu hören war.
Wahrscheinlich sind sie so an das Klicken der Kameras gewöhnt, dass sie die Stille im Jeep einfach nicht mehr gewohnt sind.

Zeichnen am Blyde River Canyon
Nach den vielen Tiererlebnissen im Krügerpark mit Leoparden auf dem Baum, im Flussbett laufend oder auf dem Stein liegend, und einer Gruppe von Löwinnen, die parallel zu uns an der Straße entlangliefen, haben alle Zeichner zahlreiche Seiten in ihren Skizzenbüchern gefüllt.
Nun ging es noch zwei Tage entlang der Panoramaroute, um die zerklüftete Landschaft in den Drakensbergen zu zeichnen, die sich einmal quer durch Südafrika ziehen.
Die zahlreichen Schluchten, Wasserfälle und Dämme waren nun eine neue Herausforderung für uns.
Der Blyde River Canyon mit den ausgewaschenen Potholes zu zeichnen, die metertief in die Schlucht ragen, und der Blick von „Gods Window“ auf fast 2.000 Metern Höhe in die unendlichen Weiten Afrikas war dann Nature Sketching.
Weites Farmland
Somit hatten wir auf unserer zweiwöchigen Tour drei verschiedene Zeichenphasen: erst Urban Sketching in Kapstadt, dann Wild Sketching im Krügerpark und schließlich Nature Sketching hier.
Auf dem Rückweg nach Johannesburg begeisterte uns die endlose Weite der Farmlandschaften. Unterbrochen wurden die Farmen nur von Städtchen und Wohngebieten, in denen die bunte Vielfalt, aber auch die Armut ein ganz anderes Bild als in Deutschland zeigen.
Während der Fahrt zum Flughafen wurde immer noch mit dem Skizzenbuch auf den Beinen weitergezeichnet.
Alles in allem ist es so schön und umwerfend gewesen, dass ich im Oktober 2019 und auch in den kommenden Jahren auf jeden Fall wieder eine Gruppe von zwölf Personen zusammenstelle, um gemeinsam zu zeichnen. „Südafrika macht süchtig“, sagt ein Afrikanisches Sprichwort - dem kann ich nur zustimmen.
INFORMATIONEN
https://schroeder-sketching.de