Leserbeitrag: Unterwegs mit dem Gepardenmann
Leise und geduckt bewegt sich Matto Barfuss im weichen Sand. Er hat die Spur eines Raubtieres entdeckt. Vom Geländewagen aus verfolgen wir die Spur auf der Sandpiste weiter. Dann plötzlich kreuzt ein junger Leopard sekundenschnell unseren Weg. Wir hören die aufgeregten und eindringlichen Warnrufe der Impalas in der Stille der Dämmerung.
Die Mutter des jungen Leoparden muss ganz in der Nähe sein. Mit der "Hasenklage", dem Todesschrei eines Hasen, versucht Matto Barfuss die Leopardin anzulocken. Doch die hat uns längst ausgetrickst und ist einen großen Bogen um uns herum gelaufen.
Der Leopard gilt als das erfolgreichste Raubtier Afrikas. Er ist ein Kulturfolger und lebt wie ein Geist im afrikanischen Busch. Insbesondere dort, wo er einst selbst zum Gejagten wurde. So wie in Mudumu, als es noch Jagdgebiet war. Seit 1990 ist Mudumu ein rund 1.000 Quadratkilometer großer Nationalpark in der Region Caprivi im Nordosten Namibias. Unsere letzte Station in Namibia, bevor wir die Grenze zu Botswana überqueren.
Ein Gespür für Afrika
Mit Matto Barfuss haben wir keinen Urlaub gebucht. Wir begeben uns auf eine Reise nach Afrika, die uns im ersten Teil 2.000 Kilometer mit dem Auto durch Afrika führt. Matto Barfuss möchte uns ein Gespür für das weite Land, die Natur und für die Wildtiere vermitteln. Aus seiner Sicht ein überaus wertvolles Gut Afrikas.
Nach unserer Ankunft in Windhoek können wir uns von der Anreise aus Frankfurt auf der Gästefarm Hohewarte für eine Nacht erholen. Heike und Markus, Pächter der Farm, geben uns gleich ein familiäres Willkommensgefühl. Die Gästefarm liegt am Fuße des Bismarckberges, einem der höchsten Berge Namibias.
Gefährdete Geparden
Nach diesem gelungenen Einstieg fahren wir am nächsten Morgen zur Safari Gästefarm Düsternbrook, eine der ältesten Gästefarmen Namibias. Das historische Farmhaus wurde aus Natursteinen im Kolonialstil gebaut und liegt auf einem Berg. Von dort erhalten wir einen atemberaubenden Blick auf ein Trockenflussbett.
1986 übernahm Johann Vaatz die Gästefarm. Um sich unabhängiger vom Wetter zu machen und den Boden zu entlasten, setzte er zunehmend auf nachhaltigen Wildtourismus. Das bedeutet eine starke Rücknahme von Rinderzahlen, um Platz für bestehendes Wild zu schaffen.
In großen Freigehegen leben auch ein Leopard und zwei Geparden, die täglich am Nachmittag gefüttert werden. Von einem Jeep aus können wir die anmutigen Tiere beobachten. Johann hat die Raubkatzen aufgenommen, weil es Konflikte mit Farmern gab. In freier Wildbahn sind diese Großkatzen sehr scheu. Noch 6.000 bis 12.000 Geparden leben in Freiheit, erklärt uns Matto Barfuss. Der Gepard, das schnellste Landtier der Welt, wird auf der Roten Liste als gefährdet bis stark gefährdet gelistet.
Wasserreich mit vielen Parks
Am nächsten Tag fahren wir durch Rundu am Okavango entlang bis zum Caprivi-Zipfel. Dieser ist dank des Okavango, Zambesi, Kwando, Linyanti und Chobe sehr wasserreich und ein wahres Paradies. Namibia zeigt uns hier eine grüne und dichte Vegetation. Wasser ist Leben.
Der Caprivi-Zipfel gehört zum wildreichsten Gebiet Namibias. Auf diesem schmalen Landstreifen liegen vier Nationalparks: Der Mudumu National Park, der Mamili National Park, der Khaudom National Park und der Bwabwata National Park. Auf botswanischer Seite schließt der Chobe Nationalpark an. In den Nationalparks gibt es keine Grenzzäune. Die Tiere können zwischen Namibia, Zambia und Botswana wandern.
Wir bleiben für zwei Nächte in der komfortablen, riedgedeckten Mahangu Safari Lodge, mit idyllischem Blick auf den Okavango. Nach unserer Ankunft in der Lodge steigen wir vom Auto gleich auf das Boot um. Wir werden mit dem beeindruckenden Anblick einer Elefantenfamilie, die zum Trinken an den Fluss gekommen ist, belohnt. Innmitten von Flusspferden, Krokodilen und Fischadlern können wir entspannt den Elefanten zusehen.
Baobabs und Elefanten
Am nächsten Morgen besuchen wir den Bwabata-Nationalpark. Der 5.000 Quadratkilometer große Park umfasst das gesamte westliche Gebiet des Caprivi. Der Wildreichtum bestätigt sich hier. Bereits am Eingang steht ein schöner Giraffenbulle. Vom Auto heraus können wir Elefanten, Pferdeantilopen, Grünmeerkatzen, Paviane, Impalas, Zebras, Zwergbienenfresser beobachten. Wir bewundern die Baobabs, die afrikanischen Affenbrotbäume im Park. Der älteste Baobab ist zwischen 3.000 und 4.000 Jahre alt.
Bevor wir am nächsten Tag Namibia verlassen und nach Botswana einreisen, lädt uns Matto Barfuss zu einer Exkursion im Bwabata-Nationalpark ein. Wir lernen, dass wir am Elefantendung das Alter eines Elefanten erkennen können. Je größer der Dung, desto älter der Elefant. Oder das wir eine Löwenspur anhand von zwei Einkerbungen am Ballen identifizieren können.
Projekt des San-Volkes
Das alles erklären uns Frauen und Männer der Khoi San. Hintergrund der Exkursion ist das TEKOA-Projekt in Verbindung mit dem KAZA-Projekt. Die Khoi San haben einen neuen Weg gefunden, ihre alten Traditionen wieder aufleben zu lassen. Das TEKOA Training Programm - Teaching Ecological Knowledge of All - soll zu einer Buschmann-Akademie aufgebaut werden.
"Altes Wissen" soll an die junge Generation weitergegeben werden. Und ihre Chancen erhöhen, eine Arbeit zu finden. Ein weiteres Ziel ist, möglichst viele Khoi San in Naturschutz und Tourismus zu integrieren und damit den Nationalpark KAZA - Kavango-Zambezi-Transfrontier-Park - Realität werden zu lassen.
Mit den Ländern Namibia, Botswana, Sambia, Zimbabwe und Angola wurde weltweit das größte Schutzgebiet geschaffen. Matto Barfuss ist mit seinem Verein "Leben für Geparden e.V." Finanzierungs- und Umsetzungspartner. Bisher hat er 2.000 "Wildlife-Schulbücher" im Bwabata-Nationalpark platziert.
Ursprüngliches Botswana
Wer nach Afrika reist, dem geht das Herz auf, heißt es. Das bestätigt sich insbesondere in Botswana. Hier erleben wir eine weitgehend unberührte und ursprüngliche Natur. Am Chobe fahren wir unserer nächsten Lodge entgegen, der Chobe Game Lodge. Die einzige Lodge innerhalb des 11.700 Quadratkilometer großen Chobe Nationalparks.
Bevor wir in den Park fahren, gibt Matto Barfuss uns noch wichtige Verhaltensregeln mit auf den Weg. Jedes Wildtier braucht seine Komfortzone. Bereits der Weg zur Lodge ist ein Erlebnis. Wir sehen Büffel, Krokodile, Flusspferde, die sich am oder im Wasser aufhalten. Riesige Elefantenherden trinken und baden am Fluss. Elefantenbabys lernen schwimmen, ihr kleiner Rüssel ragt wie ein Schnorchel aus dem Wasser. Ein imposanter Elefantenbulle steht am Wegesrand, schüttelt kurz seinen Kopf und geht gemächlich seines Weges weiter. Wir warten, bis er den Fluss erreicht hat.
Über Funk wird unserer Rangerin von einem Leoparden berichtet, der sich allerdings in einer anderen Richtung befinden soll. Wir machen uns auf die Suche, können aber keine Spuren entdecken. Dafür laufen plötzlich sechs afrikanische Wildhunde aus dem Gebüsch. Und die Jagd beginnt. Wir folgen den Wildhunden und die Wildhunde folgen den Impalas.
Das Alphatier legt sich auf einen Termitenhügel und beobachtet das Jagdgebiet. Alle anderen Wildhunde legen sich in einer Reihe dahinter. Dann geht alles sehr schnell. Die Wildhunde verteilen sich im Gebiet. Die Impalas fliehen und kreuzen unseren Weg. Am Fluss haben die Wildhunde bereits ein Tier erlegt. Wildhunde sind effiziente Jäger. Sie leben in Rudeln und sind sehr soziale Tiere.
Wehrhafte Rappenantilope
So viele faszinierende Eindrücke von Afrika machen auch uns hungrig. Am letzten Abend essen wir in der Boma, ein traditionelles afrikanisches Restaurant unter freiem Himmel. Wir sitzen unter Mahagoni-Bäumen am Ufer des Chobe Flusses und werden mit Fleischgerichten, Fisch, Salat, Gemüse und Dessert rundherum verwöhnt.
Wir wären gern noch länger in der Chobe Game Lodge geblieben. Umso mehr freuen wir uns, als wir am nächsten Morgen kurz vor Verlassen des Parks die streng geschützten Rappenantilopen entdecken. Ein Augenschmaus. Zwei Herden, die in der Sonne geradewegs aufeinander zugehen. Mit ihren säbelähnlichen Hörnern können sich die Antilopen erfolgreich gegen Feinde verteidigen, sogar gegen Löwen. Und Löwen hoffen wir noch zu finden.
Doch erst einmal fahren wir weiter bis nach Kasane in die Kubu Lodge. Wir übernachten in strohgedeckten Chalets aus Holz, die auf einer erhöhten Plattform errichtet wurden. Auf der Veranda sitzend, erfreuen wir uns am Panoramablick auf den Chobe Fluss. Und über die friedlich grasenden Buschböcke davor.
In den Sümpfen von Linyanti
Am nächsten Tag geht unsere Reise mit dem Buschflieger weiter. Wir fliegen in das 1.250 Quadratkilometer große Linyanti Reservat, das im Nordwesten von Botswana zwischen dem Okavango-Delta und dem Chobe Nationalpark liegt. Eine fast 900 Quadratkilometer große Sumpflandschaft zeichnet dieses Gebiet aus. Elefanten, Flusspferde und Büffel halten sich hier am liebsten auf. Auch Lechweantilopen und Pferdeantilopen können gut beobachtet werden.
Wir bleiben für zwei Nächte im Linyanti Bush Camp. Das kleine Camp besteht aus sechs Safarizelten, die wir im Dunkeln nur in Begleitung aufsuchen dürfen. Paviane turnen auf Bäumen oder werfen in der Nacht kleine Zweige auf unser Zeltdach. Am Abend essen wir gemütlich im Speiseaal der Lodge.
Vorher fahren wir wieder auf die Pirsch. Wir wollen nach Wildhunden suchen, finden aber keine. Stattdessen entdeckt unser Ranger Löwenspuren. Wir haben Glück. Von weitem sehen wir in der Abendsonne Löwenkinder auf einem Termitenhügel spielen und miteinander toben. Neugierig schauen sie in unsere Richtung. Die Löweneltern gehen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, sie schlafen im Gras.
Im Durchschnitt verschläft ein Löwe fast 20 Stunden täglich. Die Löwenfamilie, ein Männchen, zwei Weibchen und sechs junge Löwen im Alter von drei und sechs Monaten, dulden gelassen unsere Nähe. Löwen leben in Gruppen zusammen und bilden eine dauerhafte Lebensgemeinschaft.
Wildhunde im Morgengrauen
Matto Barfuss ist in seinem Element. Neben dem Geparden-Schutz widmet er sich auch intensiv den Löwen. Alles wird dokumentiert, fotografiert oder gefilmt. Als die Löwen weiterwandern, fahren wir zurück in die Lodge. Es ist bereits dunkel. Das war ein besonders schönes Erlebnis für uns.
Nach dem Essen sitzen wir in der kleinen, gemütlichen Lounge und reden noch lange darüber. Wir haben noch die Löwenbilder im Kopf, als uns in den frühen Morgenstunden das nächste Ereignis förmlich aufweckt. Direkt vor unserem Zelt jagen neun Wildhunde. Ein Impala Bock rennt um sein Leben, gefolgt vom Alpharüden. Am Fluss gibt es kein Entkommen mehr. Freud und Leid, der große Kreislauf der Natur, wie Matto Barfuss sagt.
Doch das Überleben der Wildhunde ist fraglich. Nicht nur der Löwe, auch der Wildhund steht auf der "Roten Liste" und ist stark gefährdet, fügt Matto Barfuss hinzu. Er hofft, dass die Tiere auf der botswanischen Seite bleiben, wo sie geschützt sind. Die Mitarbeiter des Linyanti Bush Camps verabschieden uns am Morgen sehr herzlich. Mit Gesängen, die uns berühren und lange in unseren Ohren nachklingen.
Zeugen bei der Jagd
Wir begeben uns auf die letzte Etappe unserer Reise. Mit dem Buschflieger landen wir in der Kwando-Region im Nordwesten Botswanas. In dem 232.000 Hektar großen Wildschutzgebiet befindet sich das Lagoon Camp. Hier stehen acht geräumige Luxus-Zeltunterkünfte auf hölzernen Plattformen mit Blick auf den Kwando Fluss. Wir sind mitten in der Wildnis.
Wie wir hören, bevorzugt ein Flusspferd seinen Schlafplatz direkt neben unserem Zelt. Die Guides und Fährtensucher sind auch hier sehr gut ausgebildet und erfahren. Sie berichten uns von Wildhunden, die gesichtet wurden. Das Lagoon Rudel. So sitzen wir kurz nach unserer Ankunft im offenen Geländewagen und fahren auf die Pirsch.
Es dauert nicht lange und wir sehen vierzehn Wildhunde. Das Rudel bereitet sich gerade auf die Jagd vor. In der Kwando-Region dürfen wir Offroad fahren, querfeldein verfolgen wir die Jagd. Ein Impala schießt wie ein Pfeil an uns vorbei, die Hinterläufe hoch in der Luft. Sie ist zu schnell für die Wildhunde. Ein Warzenschwein flüchtet in einen Termitenbau. Geduldig wartet ein Wildhund davor. Das Warzenschwein kommt zu früh heraus, kann sich aber in letzter Sekunde in einen anderen Termitenbau retten. Für heute müssen die Wildhunde hungrig bleiben. Das Alphapaar ist vor kurzem an Altersschwäche gestorben, erzählt uns Matto Barfuss. Das Rudel verhält sich etwas tollpatschig bei der Jagd, sie müssen noch dazulernen.
Abschied von Afrika
Am letzten Tag zeigt sich uns ein Leopard in freier Wildbahn bei der Jagd. Leise und geduckt bewegt er sich im Gras. Der Impala-Bock hat ihn aber schon längst entdeckt und hält einen sicheren Abstand zu ihm. Der Leopard macht eine Pause auf einem Termitenhügel, bis er das Katz-und-Maus-Spiel fortsetzt. Allerdings ohne Jagdchance für ihn.
Wir fahren vorbei an Elefanten, Kudus, an einer großen Büffelherde und Tsessebe oder Halbmond-Antilopen, die auch uns neugierig beobachten. Wir verweilen bei sieben Giraffen, die alle wie gebannt in eine Richtung blicken. Mit ihren sehr guten Augen können die Tiere bis zu 1,5 Kilometer weit sehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit dreht sich die erste Giraffe um und läuft im Galopp durch das hohe Gras davon, gefolgt von allen anderen Giraffen in einer Staubwolke verschwindend. Einmal mehr verstehen wir Matto Barfuss, der diese faszinierende und ursprüngliche Natur erhalten möchte. Die Ranger unterstützen ihn dabei, seine Arbeit ist großartig, erzählen sie uns.
Von afrikanischen Gesängen begleitet, verabschieden wir uns am letzten Tag unserer Reise schweren Herzens vom Lagoon Camp und Afrika. Mit dem Buschflieger fliegen wir nach Maun zu unseren Anschlussflügen. Matto Barfuss bleibt im afrikanischen Busch. Er möchte noch viele Geschichten von Afrika und seinen Wildtieren erzählen.
© Text: Heike Jordan
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Leserfotos Ausgabe 2-2013 Artikel zeigen
Leserfotos Ausgabe 3-2011 Artikel zeigen
Namibia: Besucherrekord aus Europa Artikel zeigen
Lesertext: Sehnsuchtsland Namibia Artikel zeigen
Grüne Saison in Namibia Artikel zeigen