Mpumalanga: Gold und Steine
Der Norden des Krüger Parks. Sechs Tage lang tellerebene Landschaft. Sichtweite zehn Meter bis zum nächsten Mopane-Busch. Und jetzt das: Uralte Riesen kommen auf mich zu, den Kopf im Himmel, die Körper lückenhaft mit grünen Büschen bestoppelt, die Felsenschädel mit schrägen roten Bändern gekreuzt.
Aus der Nähe bekommen die Giganten etwas skelettartiges; der zerfurchte Sandstein ist eine Million Mal gebrochen und zersplittert. Das Hochplateau der Drakensberge stürzt hier aus 2.000 Metern Höhe ins Lowveld ab, das noch 600 Meter über dem Meeresspiegel liegt. An dieser Stelle hat der Blyde River eine 26 Kilometer lange und bis zu 800 Meter tiefe Schlucht in den Stein geschliffen - der drittgrößte Canyon der Welt oder der größte grüne Canyon, wie es die Marketingspezialisten gerne ausdrücken.
Rote Bergungetüme
Wir kommen von Phalaborwa am Tor zum Krüger Park, sind über die R40, die R526 und die R36 zum Abel Erasmus-Pass gefahren, den wir jetzt erklimmen. In jeder der Haltebuchten hat sich ein Stand mit afrikanischem Kunsthandwerk geklemmt, mit Giraffen und aus schwarzem Holz geschnitzten Frauen.
Schließlich fahren wir über den 1.224 Meter hohen Pass und ergattern den ersten Blick auf das Tal. Wir fahren in einen Kessel, der von roten Bergungetümen umgeben wird. An den Hängen haben die Einheimischen Terrassenkonstruktionen in den Stein gehauen. Es ist fast ein Schock, dass in solch einer majestätischen Umgebung auch Menschen leben. Es ist einfach zu schön hier oben, dass die Landschaft für irgendjemanden Alltag sein könnte.
Tatsächlich ist das auch ein besonderer Reiz des Blyde River Canyons: Er ist nicht wie seine größeren Konkurrenten eine Attraktion am Ende der Welt, er ist eine Kulturlandschaft. Rund um den Blyde River Canyon wohnen eine Million Menschen - nur 20.000 haben Arbeit. Der Rest versucht, sich mit ein paar Hühnern und Kühen durchzuschlagen. Sie wohnen in Backsteinbuden mit Wellblechdach in Dörfern wie Moremela.
Plötzlich stoßen wir auf unserem Slalom durch die Berge auf einen leuchtenden Farbtupfer, der sich von der Umgebung abhebt: Im Schutz der Berge wachsen hier absinthgrüne Felder, die von riesigen silbernen Sprüharmen bewässert werden.
Hotspot für Fotografen
Wir wechseln auf die R532, die nach einigen Kilometern an den Rand des Canyons heranführt. Auf einer drei Kilometer langen Zufahrt geht es zur Aussichtsplattform über die Three Rondavels hinauf. Wie überall hier säumen Straßenstände den Weg zu den Sehenswürdigkeiten. Wer hier oben Natur in Ruhe genießen will, der sollte vor 10.30 Uhr da sein - denn dann beginnt die Welle von Touristen und Schulklassen in Bussen zu rollen.
Nähert man sich dem Abgrund, hört man das Rauschen des Blyde River so entfernt, als würde man Ohropax tragen. Paviane schreien mit ihren krächzenden Stimmen durch das Tal. Die Schlucht ist hier 700 Meter tief. Man könnte den Berliner Fernsehturm zwei Mal übereinander bauen. Das Band des Blyde River beschreibt hier fast eine Schleife und läuft in den Blydepoort-Stausee hinein, auf dem winzig klein Ausflugsschiffe zu sehen sind.
So touristisch seine Ränder, so wild ist der Canyon selbst: Das Tierleben ist reich, in den Schluchten gehen Leoparden auf die Jagd. Hebt man den Blick auf Augenhöhe, schaut man direkt auf die Three Rondavels, die so heißen, weil sie an die traditionellen Rundhütten der Einheimischen erinnern. Zwei von ihnen haben etwas Schlagseite und sehen so aus, als würden sie vor unseren Augen langsam in den Fluss kippen.
Die Rondavels sind zwar eines der beliebtesten Fotomotive in Südafrika, es ist aber nicht einfach, die richtige Tageszeit zu erwischen. Oft sind sie fast den ganzen Tag in den Dunst gehüllt, der vom See aufsteigt. Gegen 15 Uhr wird die Luft meist klar und gegen 15.30 Uhr herrscht im Winter und Frühling das schönste Licht, im Sommer etwas später. Danach kriechen die Schatten des gegenüberliegenden Canyonrandes an der Formation hoch.
Wütendes Wasser
19 Kilometer weiter die Panoramaroute hinunter erreichen wir die Bourke?s Luck Potholes und damit den Ursprung des Blyde River Canyons. Hier schießt der Treur River in Kaskaden hinunter, stößt im rechten Winkel auf den Blyde River und wird von ihm abrupt abgebremst. Die Wucht des Aufpralls entlädt sich in Strudeln. Sie fressen kreisförmige Löcher mit mehreren Metern Durchmesser in den Stein, die sogenannten Potholes.Hier hat das Wasser mit Gewalt gewütet und Harmonie hinterlassen: Es gibt es nur sanfte, geschmeidige, runde Übergänge. Oben, zwischen den Brücken, die die Besucher an die Potholes heranführen, ist die Natur dagegen rau, scharfkantig, fast aggressiv.
Die Potholes sind nach Tom Bourke benannt, der hier zwar ein bisschen Gold gefunden hat, doch waren die Löcher in Wahrheit sein Pech: Das Gold, das tatsächlich im Fluss war, wurde durch die wilden Wirbel zu Staub zermahlen.
Man kann kaum glauben, dass die vereinigten Flüsse den Blyde River Canyon teilweise 700 Meter breit und 800 Meter tief ausgewaschen haben. Und das in einem Gebirge, das vor allem aus Quarzit besteht, einem extrem harten Stein.
Links vor dem Eingang zu den Potholes startet der unscheinbare aber interessante Lichens Trail. Lichens sind eine Mischung aus Pilz und Alge, die viele Steine der Region grün und rot färben. Das Farbschauspiel der mächtigen Felsen geht zu einem guten Teil auf das Konto dieser Pflanzen, die sie überwuchern und teilweise ganz einwickeln.
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© Text: Lukas Martin/SÜD-AFRIKA
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